Thesenpapier des Regionsvorstandes

  • Veröffentlicht am: 27. November 2006 - 10:57

Unter der Überschrift "Wahlen ohne Wähler?" hat der Regionsvorstand der GRÜNEN ein Thesenpapier vorgelegt, mit dem die Debatte für eine bessere Wahlbeteiligung angestoßen werden soll. Dieses wird am 30.11. auf dem Parteirat diskutuiert. Hier können sie es lesen:

Wahlen ohne Wähler?

Vorschläge für eine bessere Wahlbeteiligung.

Die Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 2006 ist erneut deutlich gesunken. In-zwischen bleiben mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten der Abstimmung fern. An Stichwahlen nehmen inzwischen sogar nur noch rund ein Viertel der Wahlberechtig-ten teil.

Dieses Phänomen zeigt sich auch bei anderen Wahlen. Aber nur bei der Europawahl ist die Wahlbeteiligung ähnlich gering, wie bei der Kommunalwahl.

Wenn wir nicht wollen, dass sich Politik und Gesellschaft immer weiter auseinander bewegen, müssen wir dieser Entwicklung entgegensteuern.

Hierzu hier einige, z.T. auch kontroverse, Vorschläge:

Inhalte

Zunächst liegt die Vermutung nahe, dass die Wähler nicht interessiert, was die Politik macht. Diese Vermutung lässt sich nur schwer belegen. Die subjektive Selbstwahr-nehmung des Kommunalwahlkampfes 2006 stützt aber diese These.

Viele Entscheidungen werden lautlos und professionell gefällt. Unterschiede zwi-schen den Parteien sind schwer festzustellen.

Wir sollten versuchen, wieder mehr Debatten in die Gesellschaft hinein zu initiieren.

Die Wahlbeteiligung in Städten wie Oldenburg und Braunschweig, die zum Beispiel mit dem Bau der ECE Einkaufszentren richtigen Streit in der Stadt hatten, zeigt je-doch, dass dies keinen eindeutigen Effekt auf die Wahlbeteiligung hatte. In Olden-burg ist sie ebenfalls um 5,1% gesunken, in Braunschweig jedoch um 1,1% gestie-gen. Durch eine inhaltliche und nicht ritualisierte Debatte um einzelne Themen kann aber auf jeden Fall das Bewusstsein über das, was Politik macht, erhöht werden.

Beteiligung

Neben der Debatte sollten auch zwischen den Wahlen bessere Angebote zur Beteili-gung gemacht werden.

Hierbei kommt es darauf an, dass Bürgerbeteiligung keine reine Beteiligung von ein-seitigen Interessenvertretern ist, die auch im "normalen" Politikgeschäft ihren Weg der Beteiligung finden.

Interessante neue Formen der offenen Beteiligung sind der Bürgerhaushalt oder auch die Diskussion des Hamburger Haushaltes im Internet (www.hamburg-haushalt.de).

Auch gezielte Einbindung wie die Oldenburger Kreativ-Runde zwischen Kaufleuten und Künstlern kann Politik wieder interessanter machen.

Selbstverständlich sollte sein, dass Bürger über Veränderungen in ihrer direkten Um-gebung (besonders Baumaßnahmen) auch direkt und frühzeitig informiert werden. Dies scheint noch immer kein Standard zu sein.

Ebenfalls sollte es selbstverständlich sein, dass sich Bürger laufend mit ihren Wün-schen und Vorschlägen an die Kommune wenden können. Hierzu sind Einrichtungen wie Bürgersprechstunden und Petitionsmöglichkeiten wichtig. Niedersachsen gehört bereits zu einem der wenigen Bundesländer, in denen nach Gemeindeordnung die Petitionsmöglichkeit vorgesehen ist. Der aktuelle Fall der Petition eines Bürgers zum geplanten Pylon an der AWD-Arena, die erst nach einem Jahr behandelt wurde, zeigt jedoch, dass es hier erheblichen Verbesserungsbedarf in der Umsetzung gibt! Hier sollten Grüne in den Räten und in der Region eine Initiative starten, mit dem Ziel die Petitionsmöglichkeiten zu verbessern und diese öffentlich bekannt zu machen.

Wahlkampf

Offensichtlich schafft es auch der Wahlkampf nicht, die Wähler von dem Sinn der Stimmabgabe zu überzeugen. Im Gegenteil ist eine zunehmende Verärgerung über die ausufernde Materialschlacht zu bemerken. Höhepunkt war die Plakatierung im Kommunalwahlkampf, die an einigen Straßenzügen so absurd wurde, dass die gro-ßen Parteien einen Teil ihrer Plakate wieder abgenommen haben. Hier gehörte unser Vorstoß für eine Beschränkung der Plakatierung zu einem der wenigen Themen, die im Wahlkampf kurzfristig positive Aufmerksamkeit erhalten haben.

Wir sollten unseren Vorstoß versuchen umzusetzen und uns in den Städten und Gemeinden für eine geordnete Plakatierung einsetzen, wie sie in anderen Städten, wie Göttingen bereits erfolgreich praktiziert wird. Das wilde Plakatieren durch die Par-teien führt immer wieder zu Unmut bei den Bürgern, da es das Stadtbild verschan-delt, ist teuer und bindet ungeheure personelle Ressourcen. Es würde vollkommen ausreichen, wenn es nur noch die zentralen Plakatflächen der DSM gibt, die schon jetzt zentral bedient werden.

Wahlsystem

Viel wurde im Vorfeld der Kommunalwahl über das Wahlsystem gestöhnt. Sehr frag-würdig erscheint unter demokratischer Sicht auf jeden Fall die Abkopplung der Wahl des Regionspräsidenten und Oberbürgermeisters von der Wahl der Räte. Entweder werden diese künftig mit ganz anderen Wahlen verquickt oder finden als Einzelwah-len mit einem unverhältnismäßigen Aufwand und einer zu befürchtenden katastro-phalen Wahlbeteiligung statt. Diese Wahlen sollten künftig wieder an die Wahl der Räte gekoppelt werden.

Auch die Vielzahl der abzugebenden Stimmen erschien vielen als zu kompliziert. Das Ergebnis der Wahl zeigt, dass fast alle - die an der Wahl teilgenommen haben - das Wahlsystem begriffen haben. Es ist kein signifikanter Anstieg der ungültigen oder verschenkten Stimmen festzustellen.

Dennoch stellt sich die Frage, ob das Wahlsystem möglicherweise Wähler vom Ur-nengang abgehalten hat und daher vereinfacht werden sollte. Hierüber haben wir im Vorfeld eine kontroverse Diskussion geführt, die wir mit folgenden pro und contra wiedergeben wollen. Hierüber sollten wir weiter eine offene Debatte initiieren.

contra Vereinfachung des Wahlsystems:

Das Wahlsystem mit der Vergabe von drei Stimmen ist weder kompliziert noch un-übersichtlich. Kompliziert wird es nur durch die Begrifflichkeiten "kumulieren und pa-naschieren”, die im Zweifel sowieso niemand kennt, sondern sie schlichtweg nur an-wendet. Unübersichtlich wird es erst durch die Vielzahl von Wahlzetteln für die unter-schiedlichsten Gremien- und Personenwahlen. Dennoch scheint das die Wählerin-nen und Wähler nicht zu verwirren.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind (noch) keine Volkspartei, sondern hier in Nieder-sachsen einstellig verharrend. Aber wir sind eine Alternative für viele Bürgerinnen und Bürger, die unser Politikangebot attraktiv finden, aber nicht zu den Stammwähle-rInnen gezählt werden können. Die meisten sind ja StammwählerInnen der beiden großen Parteien. Dennoch wirft mancheineR einen Blick auf die Grünen und kann sich vorstellen ein Kreuz hier zu machen. Die beiden anderen Kreuze verbleiben bei der jeweiligen Stammpartei. Das geht bei einer Stimme nicht. Das Dreistimmenwahl-recht ist eindeutig ein Angebot an die Wechselwählerinnen, die immer mehr werden.

Grüne profitieren am meisten von dem Dreistimmensystem und es ist zudem demo-kratisch differenzierter und zwingt nicht zum Schwarz-Weiß-Denken.

pro Vereinfachung des Wahlsystems:

Unsere Kandidatinnen und Kandidaten gucken immer gerne auf ihre persönlichen Stimmenergebnisse und es gehört zu einer der meist gestellten Fragen nach einer Kommunalwahl: "Wie viele Stimmen habe ich bekommen?"

Das mag für den Einzelnen interessant sein, wahlentscheidend ist es jedoch meist nicht. Von den 38 Grünen Bezirkratsmitgliedern in Hannover-Stadt hat nur eine Per-son im Vergleich zur Grünen Liste durch persönliche Stimmen einen Platz gut ge-macht.

Dem theoretischen Wert einer höheren Mitbestimmung steht das subjektive Gefühl zahlreicher Wähler gegenüber, dass das Wahlrecht durch die unterschiedliche An-zahl der abzugebenen Stimmen kompliziert sei. Angesichts einer dramatisch sinken-den Wahlbeteiligung ist dieser Eindruck sicherlich nicht förderlich. Wichtiger als ein theoretisches Plus an Demokratie ist ein praktisches Plus an demokratischer Teilha-be in Form von einer höheren Wahlbeteiligung. Wir sollten die Hürden für die Stimm-abgabe so gering wie möglich halten, dazu zählt auch ein einfaches und klares Wahlsystem. Eine Wahl, eine Stimme - da kann niemand mehr sagen, ihm sei das Wählen zu kompliziert.

Vorschlag für konkrete Initiativen um das Interesse an Politik zu erhöhen:

- mehr Debatte wagen

Initiierung von Diskussionen in die Stadtgesellschaft hinein, kritisches Hinter-fragen großer Projekte und nicht einfach "Durchwinken"

- Offensive für mehr Bürgerbeteiligung

• Die Region und ihre angehörigen Städte und Gemeinden sollten den Haushalt 2008 im Internet von den Bürgern vorplanen lassen;

• Einrichtung einer Kreativrunde, deren Aufgabe es ist neue Ideen für die Stadtgesellschaft zu entwickeln:

• Ausbau von Standards wie Bürgerfragestunden, Petitionsmöglichkeiten, Bürgerinformation und bessere Bekanntmachung dieser Beteiligungsmöglich-keiten.

- Kein wildes Plakatieren in den Städten und Gemeinden

Grüne beantragen in den Städten und Gemeinden der Region Hannover, dass nur noch auf vorgegebenen Plakatflächen (wie die DSM Flächen in der Stadt Hannover) plakatiert wird.

- Einfacheres Wahlsystem

• Grüne initiieren eine Debatte über die Auswirkungen des Wahlrechts auf die Wahlbeteiligung

• Die Direktwahlen müssen wieder an die Ratswahlen gekoppelt werden.

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